"Das Schönste, was wir erleben können,
ist das Geheimnisvolle.
Es ist das Grundgefühl,
das an der Wiege wahrer Kunst und Wissenschaft steht."
Albert Einstein
Gersdorf (MOZ) Zu DDR-Zeiten war ein Gedenken an die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges nur schwer möglich. In Gersdorf soll das jetzt nachgeholt werden. Otto Schack und eine Tischlerei aus Kruge haben ein Epitaph für die Kirche geschaffen.
Vorsichtig, aber doch bestimmt, setzt Otto Schack den Pinsel an und zieht ihn über die schwarze Tafel. Es entsteht das "D" des Wortes "und", das die Namen der Brüder Hans und Wilhelm Kühlberg miteinander koppelt. Sie fielen, wie 32 weitere Männer aus Gersdorf und Neugersdorf, im Zweiten Weltkrieg. Mit dem Epitaph, das Otto Schack hier schafft, soll an sie erinnert werden.
Obwohl der griechische Begriff Epitaph "Das auf dem Grab Befindliche" bezeichnet, findet man Epitaphe in der Regel gerade nicht direkt am Grab eines Verstorbenen. Seit dem 14. Jahrhundert wurde es üblich, diese Tafeln, mit denen auch einer Gruppe von Personen gedacht werden kann, an anderen Stellen aufzuhängen. In der Regel waren das die Kirchen. Und so soll auch das Epitaph von Otto Schack in der Gersdorfer Kirche aufgehängt werden. Heute Abend um 19 Uhr wird es mit einem Gedenkgottesdienst enthüllt.
"Wir wollten die 700-Jahr Feier dieses Wochenende zum Anlass nehmen, eine Lücke in der Erinnerung des Ortes zu schließen", so Otto Schack. Denn nirgendwo waren bisher die Namen der Gersdorfer, die im Weltkrieg oder danach in der Gefangenschaft ihr Leben ließen, zentral gesammelt. "In der DDR war ein Gedenken an die deutschen Gefallenen ja nicht möglich", so Rosemarie Schack, die Ehefrau des Künstler. Kriegerdenkmäler wurden geschliffen und der Zweite Weltkrieg möglichst verdrängt, denn schließlich hatte es sich ja um einen Angriffskrieg gehandelt.
Es war gar nicht so leicht, die Namen zu recherchieren. Hilfe kam vor allem von dem ehemaligen Gersdorfer Hermann Hölzer, der schon in den 50er Jahren in den südwestdeutschen Breisgau auswanderte und dort heute noch lebt. Und auch der Vater des derzeitigen Bürgermeisters Maik Hölzer hatte noch viele Namen im Kopf. 34 sind es insgesamt. Sie sind auf Holz gemalt, ein kleiner Giebel, ein so genannter Tympanon, erhebt sich darüber. Hergestellt hat das Epitaph die Tischlerei Neumann und Messal aus Kruge, die wie Otto Schack das Epitaph der Gemeinde schenkt.
Schack ist Maler und Grafiker. In den 60er Jahren hat der gebürtige Anhaltiner Schriftgestaltung an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert. Für das Epitaph verwendet er die Schriftart Post Antiqua, die noch in den letzten Jahren des Dritten Reiches eingeführt worden war. Hitler hatte 1943 die bis dahin übliche Fraktur abgeschafft, weil sie zu schwer zu lesen war. Herbert Post (1903-1978) entwarf die nach ihm benannte Schriftart, die sich auf die antike Antiqua stützt, die wiederum auf die Inschrift an der Trajansäule in Rom zurückgeht.
Beim Gersdorfer Epitaph betätigt sich Otto Schack also nicht als Typograf, er entwirft keine eigene Schrift. Er ist Kalligraf, also Schönschreiber. In der Kulturgeschichte ist die Kalligraphie von enormer Bedeutung, das künstlerische Kopieren der heiligen Texte galt selber als heilige Handlung. "Für Gedenkblätter und Urkunden ist das Schönschreiben auch heute noch sehr wichtig", so der Künstler.
2008 soll eine Chronik herauskommen, die die Lebensläufe der Gefallenen detaillierter beschreibt, als das auf einer hölzernen Tafel möglich ist.
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